Wir reagieren, wenn wir uns verlieben, immer auf das Potential eines Menschen. Liebe macht also nicht blind sondern sehend! Ob das Potential auch verwirklicht wurde, können wir meistens nicht auf den ersten Blick erkennen. Deshalb kommt es nach der ersten Phase des Verliebtseins oft zu einer Ernüchterung, wenn man feststellt, dass der Partner all die schönen Eigenschaften, die wir in ihm gesehen haben, scheinbar nicht hat.
Anstatt dem Partner Vorwürfe zu machen, bringt es natürlich mehr, ihm bei der Entwicklung der Eigenschaften zu helfen. Natürlich nur, wenn er dazu bereit ist. Manche Menschen entwickeln ihr ganzes Leben lang nicht ihre wahren Eigenschaften. Zu stark sind die Prägungen der Kindheit.
Bei sehr jungen Menschen passiert es häufiger, dass das wahre Potential noch nicht gelebt werden kann. Da weiß man selbst noch nicht, welche Richtung man im Leben einschlagen will und man macht viele Umwege um an sein Ziel zu gelangen. Deshalb gehen Beziehung oft nach ca. 4 Jahren auseinander. Da hat man dann gemerkt, das man gerade einen Umweg macht und sucht sich einen passenderen Partner. Oder man bleibt aus Angst oder gesellschaftlichen Gründen zusammen und macht sich gegenseitig das Leben zur Hölle, entwickelt Depressionen oder andere Krankheiten. Wenn das Band der Liebe einmal gerissen ist, bringt es meistens nichts daran festzuhalten. Man hat sich schon so weit von einander entfernt, dass man keine gemeinsame Basis mehr erreichen kann.
Natürlich sollte man immer bedenken, dass es eigentlich immer um uns selbst geht. Wir benutzen den Partner als Spiegel. All die schönen Eigenschaften, die wir sehen, wollen wir in uns selbst entwickeln. Oder wir sehen unseren Schatten, das was wir in uns ablehnen. Anstatt uns den Schatten in uns selbst anzusehen, projizieren wir ihn lieber auf unseren Partner oder auch auf andere Menschen. Wenn sich ein Chaot in einen Pedanten verliebt, will er doch nur seine Mitte finden. Er will Teile des Pedanten in sich entwickeln und umgekehrt will der Pedant seinen inneren Chaoten leben.
Am Anfang einer Beziehung findet man dieses Anderssein noch interessant. Doch wenn sich beide nicht aufeinander zu bewegen und die anderen Eigenschaften in sich entwickeln, kommt es zwangsläufig zum Streit.
Ein weit verbreiteter Irrtum ist es zu glauben, dass man in einer guten Beziehung 50 % Verbundenheit und 50 % Freiheit lebt. Wahre Liebe beruht auf 100 % Verbundenheit und 100 % Freiheit. Wenn ich mit meinen Partner zu 100 % verbunden bin, kann ich ihm auch aus dieser Liebe heraus 100 % Freiheit zugestehen. Hört sich einfach an und ist furchtbar schwierig zu leben. Aber es lohnt sich mal darüber nachzudenken.